Biopsie bei Verdacht auf Prostatakrebs?
Grund für meine PSA Untersuchung:
Die Brustkrebserkrankung meiner Frau im Jahre 1995 hat mich für die Krebsvorsorge sensibilisiert.
Zuerst habe ich eine Darmuntersuchung (Coloskopie) machen lassen.
Eine Vorsorgeuntersuchung der Prostata habe ich noch hinausgezögert, da ich beim Sammeln von Krebs-Info-Material, anläßlich der Brustkrebserkrankung meiner Frau, auf sehr bedenkliche Aussagen bezüglich Prostata-Vorsorgeuntersuchungen gestoßen war.
1998 las ich dann in einem Artikel „Krebs-Test: Verbesserte Methoden†œ, daß von Prof. Hans Lilja von der Universität Lund / Schweden ein verfeinerter PSA Test entwickelt wird, der dann
90% aller Prostatatumore sicher anzeigen soll und in einem Jahr einsatzbereit sein soll. „Wer
dann immer noch nicht zum Test gehe, handele grob fahrlässig†œ, hieß es weiter.
Nachdem ich ein Jahr lang vergeblich versucht hatte, etwas über diesen Test zu erfahren,
habe ich im Oktober 1999 ein PSA Untersuchung vornehmen lassen. Mein Hausarzt konnte
mir zu dem Laborbericht nicht mehr sagen als ohnehin im Bericht ersichtlich war, nämlich daß
mein PSA Gesamtwert über dem Normbereich lag.
Ergebnisse der PSA Untersuchungen:
Nach Überweisung zum Urologen habe ich dort weitere PSA Test machen lassen, die ebenfalls über dem für mein Alter (Jahrgang 1939) angenommenen Normbereich lagen. Im einzelnen ergaben sich bisher folgende Werte, bei gleicher PSA2 CLIA /ACS Untersuchungsmethode,
Chemilumineszenz-Immunoassay auf einem CENTAUR der Firma Bayer gemessen:
Oktober 1999:
Gesamt PSA = 7,5 - Freies PSA = 1,58 - Quotient = 0.21
Dezember 1999:
Gesamt PSA = 6,9 - Freies PSA = 1,18 - Quotient = 0,17
April 2000:
Gesamt PSA = 6,8 - Freies PSA = 1,19 - Quotient = 0,17.
August 2000:
Gesamt PSA = 9,48 - Freies PSA = 0,96 - Quotient = 0,10;
Resultat eines anderen Labors (Abbott, äquimolar).
Januar 2001:
Gesamt PSA = 7,6 - Freies PSA = 1,51 - Quotient = 0,19.
September 2001
Gesamt PSA = 8,0 - Freies PSA = 0,9 - Quotient = 0,11.
November 2001
Gesamt PSA = 7,5 -
Die Tast- sowie die Ultraschalluntersuchungen ergaben bisher keinen positiven Befund oder Verdacht. Trotzdem haben mir bisher drei Urologen dringend eine Biopsie empfohlen.
Pro und Contra des weiteren Vorgehens aus meiner Sicht:
Ich habe mich bis heute nicht entscheiden können dem Rat des Urologen, nämlich Abklärung durch Biopsie, zu folgen. Die Informationen die ich inzwischen zum Thema gesammelt habe, machen mir die Entscheidung außerordentlich schwer.
Anlässlich der Brustkrebserkrankung meiner Frau habe ich erfahren, wie wichtig es für den Patienten ist sich umfassend über medizinische Problemstellungen zu informieren und wie wertvoll eine zweite Meinung eines guten Mediziners ist, zu dem man ein Vertrauen aufbauen kann ist. Die damaligen Diagnosen und Behandlungsratschläge in zwei Krankenhäusern waren sehr unterschiedlich und vor allem überraschten die extrem unterschiedlichen pathologischen Berichte.
Ähnliche Erfahrungen muß ich nun bezüglich des Prostatakrebs machen. Es hat mich überrascht, daß sogar die digitale rektale Untersuchung schon kontrovers diskutiert wurde.
Ein Chirurg, Prof. Rupert Turnbull, schreibt:
„Berühren sie nie ein Krebsgeschwulst, weder bei der Diagnose noch bei der Operation. Bereits das einfache Drücken eines Krebsherdes ist gefährlich. Weit gefährlicher ist natürlich das Hineinschneiden oder Hineinstechen.†œ
Bei Prof. Hackethal fand ich die Bemerkung:
„Außer der vorgeschlagenen Laboruntersuchung halte ich im Moment alles andere für zu riskant, auch die Fingeruntersuchung der Prostata. Zwar ist von einer behutsam ausgeführten Fingeruntersuchung kein Schaden zu erwarten. Leider aber ist die Regel, daß zu grob untersucht wird, von den Urologen eher noch häufiger als durch andere an der Krebsmusterung Beteiligte. †“ Darüber hinaus besteht die Gefahr, daß der Untersucher den Patienten zu einer Biopsieoperation drängt und das kann der Anfang von Ende sein.†œ
Da man davon ausgehen kann, daß erfahrene Chirurgen solche Sätze sicher nicht völlig grundlos in Druck geben, hat mich die Zustimmung zur rektalen Tastuntersuchung schon einige Überwindung gekostet. Da nun aber eine Entscheidung über eine Biopsie ansteht, sind
meine Bedenken in Anbetracht der vielen kritischen Informationen noch größer geworden.
Ein Prof. Krokowski folgt aus seinen Beobachtungen:
„daß es in einigen Jahren als ärztlicher Kunstfehler gelten werde, Biopsie-Operationen zu machen. Anhand von 3000 Verlaufsbeobachtungen nach Operationen bei Krebs, insbesondere auch Biopsie-Operationen, konnte nachgewiesen werden, daß dies sehr oft der Anfang vom Ende war, der Beginn raschen Fortschreitens einer Krebskrankheit.†œ
Prof. Hackethal:
„Schon heute muß jede Biopsie-Operation bei Prostatakrebs-Verdacht m.E. als ärztlicher Kunstfehler gelten. Hier ist auch die sogenannte Feinnadel-Punktion eingeschlossen.
Bei ihr kommt deshalb ein besonderes Gefahrenmoment hinzu, weil durch den immer mit
Kotkeimen besiedelten Mastdarm hindurchgestochen wird. Zahlreiche Fälle von hochakuter
infektiöser Prostataentzündung durch Keimverschleppung sind inzwischen bekannt geworden....
Ich habe während meiner schlechthin chirurgischen Tätigkeit häufig auch Stanzprobe-exzisionen aus der Vorsteherdrüse gemacht. Erst seit einigen Monaten ist mir klar, dass ich damit den Patienten in aller Regel nicht genutzt, sondern geschadet habe.... Man sticht nicht in ein Wespennest und treibt viele einzelne Krebszellen und ganze Krebsherde in die Lymph- und Blutbahnen. Damit beginnt dann der Count-down für die Krebskrankheit....
Zumindest ist jeder Biopsie-Operateur verpflichtet, seinen Patienten vorher darüber aufzuklären, daß es inzwischen viele namhafte Wissenschaftler gibt, die jegliche Biopsie-Operation für sehr gefährlich halten.
Nach einer derartigen Aufklärung dürfte es wohl nur noch wenige Patienten geben, die diesem Eingriff zustimmen.
Die plausibelste Erklärung für die rapide Häufung der Prostatakrebstote ist nach meiner
Überzeugung die mit der Krebs-Massenmusterung gekoppelte Zunahme der Rabiat-Diagnostik und Rabiat-Therapie†œ....
Bei dem jetzigen Stand des gesicherten medizinischen Wissens über die Vorsteherdrüse-Erkrankung halte ich jegliche Therapie für zu riskant. In aller Regel ist der dadurch bewirkte Schaden größer als ein möglicher Nutzen.
Nun ist Prof. Hackethal ein sehr umstrittener Mediziner gewesen. Daß Biopsien aber nicht
ungefährlich sind, dafür habe ich auch in anderen Veröffentlichungen zum Thema genügend bedenkenswerte Hinweise gefunden.
Biopsie notwendig?
Zuerst aber stellt sich für mich einmal die Frage, wie notwendig eine Biopsie in meinem Falle
ist. - Meine Gesamt PSA-Werte sind zwar erhöht, liegen aber noch in der sogenannten Grauzone.
Da das PSA nicht krebs-, sondern gewebespezifisch ist und zudem gesunde Zellen und hyperplastisches Prostatagewebe mehr PSA produzieren sollen als maligne Zellen, ist die Diagnose und die weitere Vorgehensweise anscheinend nicht eindeutig, sondern sorgfältig zu überlegen.
In Handbuch für Labor und Diagnose, TH-Books Verlag heißt es zur Bewertung von erhöhten
PSA-Konzentrationen:
„Dennoch haben 70-80% der Patienten mit erhöhtem PSA, vor allem im Bereich von 4-10 ng/ml, kein Prostatakarzinom†œ.
Bei PSA Werten in der Grauzone sind Biopsien in der großen Mehrzahl also ohne Befund.
Einem Algorithmus für Prostatakarzinomscreening einer Münchener Klinik entnehme ich, daß
bei PSA Werten zwischen 4 und 10 ng/ml und negativer DRU und TRUS keine Biopsie vorge-
nommen wird, sondern eine halbjährliche Kontrolle empfohlen wird.
Einer Arbeit „Diagnostik und Stadieneinteilung†œ von
J.E.Altwein entnehme ich, daß nach einer
US-Gesundheitsstudie (22000 teilnehmende Ärzte) bei einem Cut-off von 4 ng/ml die Spezifität beim PSA Test bei 91% liegt.
Dies bedeutet, wenn ich die mir vorliegenden Informationen richtig verstehe, daß z.B. bei
100.000 Untersuchungen ca. 9000 mal von einem falsch-positiven Befund auszugehen ist, der dann durch weitere diagnostische Verfahren abzuklären wäre. Wenn man von einer Prävalenz der Erkrankung von im Durchschnitt 100 / 100.000 Einwohner ausgeht (z.B. 66 im Saarland, 120 in den USA), wären also 90mal mehr als tatsächlich Erkrankte durch den Marker als tumorverdächtig eingestuft.
Risiko der Erkrankung.
In mir vorliegenden PCA Arbeiten wird das Risiko eines 50 jährigen Mannes, ein PCA zu entwickeln, mit 42% angegeben.
„Die Wahrscheinlichkeit klinisch manifest daran zu erkranken liegt mit 9,5% weit darunter.
Das Mortalitätsrisiko beträgt lediglich 2,9% (SCARDINO 1992).
Diese erhebliche Diskrepanz sowie die weitgehend konstante Mortalität trotz des rapiden Inzidenzanstiegs hat zu Zweifeln an der klinischen Relevanz der vermehrt diagnostischen PCA geführt (KRAMER 1993, LU-YAO und Greenberg 1994, HÖLZEL 1995).†œ
„Die zunehmende Inzidenz des PCA wurde mit der Einführung des PSA-Screenings in den achtziger Jahren in Verbindung gebracht (DEMERS 1994, DEVES 1995, POTOSKY 1995):
Die vermehrte Durchführung transurethaler Prostatasektionen zu Behandlung benigner Prostatahyperplasien führte zur gehäuften Diagnosestellung von Prostatakarzinomen aus dem Resektat (LEVY 1993). Folge war in den USA im Zeitraum 1984-1990 eine Versechs-fachung der Anzahl radikaler Prostatektomien zur Behandlung der gefundenen PCA´s (LU-YAO 1993).†œ
In der Arbeit „Prostatakarzinom†œ von J.E. Altwein, ist bereits im ersten Absatz zu lesen:
„Die Inzidenz des PCA stieg 1995 auf „epidemisches Niveau†œ.
Die trifft vor allem auf die USA zu; denn zwischen 1979 und 1995 erhöhte sich die Zahl der Erkrankten von 64.000 auf 244.000 (WINGO 1995).
... Diese Unterschiede erklären sich z.T. durch eine unterschiedliche Aggressivität der Früherkennungsprogramme.
... Die Mortalität am PCA in den USA lag im Jahre 1979 bei 21.000 und 1995 bei 40.400, d.h. die Mortalitätsrate stieg mit 92% fast sechsmal so schnell wie in Deutschland.†œ
Solche Zahlen geben zu gründlichem Nachdenken Anlaß, um so mehr, wenn in den Publikationen immer wieder betont wird, daß ein langsames Wachstum für das PCA charakteristisch ist. So wird zwar
„bei nahezu jedem zweiten 60-jährigen Mann autoptisch ein PCA gefunden, lediglich aber nur jeder hundertste 60-jährige Mann entwickelt ein klinisch manifestes PCA (HULAND 1991)†œ.
Aufgrund intensiver Untersuchungen über die Tumorbiologie des PCA vertritt STAMEY die Meinung, daß nur Karzinome, deren Volumen 0,5ml übersteigen, für eine Behandlung geeignet sind, während solche kleiner als 0,5 ml keiner Therapie bedürfen (STAMEY 1992).
„Diese Erkenntnis der Tumorbiologie des PCA hat besonders für die Diagnostik große Bedeutung. Einerseits sollte man nicht versuchen, kleinste Tumorvolumina zu entdecken†œ.
Solche Patienten hätten trotz histologischen Nachweises eines PCA eine uneingeschränkte Lebensprognose und sollten daher nicht einer radikalen Prostatektomie zugeführt werden.
Risiko und Aussagekraft der Biopsie
In der mir vom Urologen ausgehändigten Patientenaufklärung wird mir als Methode eine fingergesteuerte Stanzbiopsie durch den Enddarm angekündigt und erläutert mit welchen Komplikationen zu rechnen ist und wie die Erfolgsaussichten sind.
Diese Informationen sind nicht nur umfangreich sondern deuten auch daraufhin, daß nicht nur geringfügige Komplikationen bedacht werden müssen und darüber hinaus auch die Aussage-kraft der Biopsie fraglich sein kann.
„Das Biopsiematerial kann u.U. für die Auswertung unzureichend sein, so daß eine Wiederholung des Eingriffes erforderlich wird†œ, heißt es in der Patientenaufklärung.
Da bei PSA Werten zwischen 4,5 und 10 ng/ml in 70 bis 80 % der Fälle kein PCA
festzustellen ist, ergibt sich wohl sehr häufig die Frage einer Biopsie Wiederholung. Jedoch wäre es „gerade bei PSA Werten im Graubereich wichtig unnötige Biopsien, die eine physische und psychische Belastung ist, zu vermeiden†œ.
Die Komplikationen reichen laut Patientenaufklärung von
„Blutungen, Stichverletzungen der Harnröhre oder der anliegenden Blase, Infektionen†œ bis zur
„Verschleppung von Tumorzellen†œ.
Bei Hackethal heißt es gar unter „Mögliche Folgen†œ einer Biopsie:
· Massive Übertragung von Kotkeimen (immer)
· Verletzung vieler Prostata-Dolden (immer)
· Akute und chronische Prostataentzündung
· Dauerhaft Potenzstörung
· Massive Krebszellenaussaat †“ Merke: Bei 1 (Kanülen-) Volltreffer in einen erbsengroßen Krebsherd werden ca. 20 Millionen Krebszellen mobilgemacht, außerdem viele Tausend Mastdarmkeime eingeschleppt!
Er schildert außerdem einen Fall, bei dem der Pathologe das erste Biopsiematerial mit dem
„dringenden Verdacht auf ein hochdifferenziertes Adenomkarzinom der Prostata†œ beurteilt und der Urologe zu einer dringenden Radikaloperation rät, die aber nicht sofort vorgenommen werden konnte, da im Krankenhaus kein freies Zimmer zur Verfügung stand. Im Verlauf der Wartezeit auf ein freies Zimmer holte der Patient eine zweite Ansicht ein. Eine neue Biopsie
beurteilte ein anderer Pathologe mit „Zeichen einer Adenomyomatose mit geringfügiger Entzündung, kein Krebsnachweis†œ. Es erfolgte keine Radikaloperation. „An den Folgen der
rabiaten 6-fach-Stanzung seiner Prostata leidet der Patient noch heute ....†œ
Bei J.E. Altwein, s.o., heißt es:
„Die aufklärungsbedürftige Komplikationsdichte ist nicht unerheblich†œ und in einer folgenden Tabelle nach COLLINS, 1993 sind die Komplikationsdichten aufgelistet:
Hämaturie 58 %, Blut im Stuhl 37 %, Hamtospermie 28 %, Darmprobleme 14 %, Obstruierte
Miktion 7 %, Fieber 4 % etc.
Besonders die Möglichkeit der Krebsausbreitung durch eine Biopsie und die unterschiedlichen
Ansichten zu diesem Problem, gibt mir zu denken. In der Patientenaufklärung heißt es dazu, daß eine
„Krebsausbreitung im Stichkanal infolge Verschleppung von Tumorzellen extrem selten†œ sei.
Auf meine Frage, was unter „extrem selten†œ konkret zu verstehen sei, erhielt ich
vom Urologen die Auskunft, daß es praktisch überhaupt nicht vorkommt und daß dieser Hinweis nur aus „versicherungstechnischen†œ Gründen aufgenommen wurde.
Um dieses Risiko verstehen zu können, habe ich den Krebsinformationsdienst in Heidelberg
um nähere Informationen gebeten. Dort war man zu dieser Frage überfragt, hat mir aber nach
einer Recherche einige Wochen später mitgeteilt, daß diese Risiko extrem niedrig sei und bei 500.000 bis gar 1 Million Biopsien nur einmal vorkommt.
Nach diesen beruhigenden Informationen habe ich dann aber mit Erstaunen bei J.E. Altwein gelesen:
„Die systematische Biopsie erschwert zwar nicht die totale Prostatektomie, führt aber in 2% der Fälle zu einem punktionsbedingten Tumorzellenvordringen in den Stichkanal der Prostata (Bastacky 1991). Die klinische Bedeutung dieser Tumorzellenaussaat durch die Biopsie ist bisher noch nicht bekannt. Es sollten jedoch aufgrund dieser Tatsache die Anzahl der Biopsien aus der Prostata auf das notwendige Maß beschränkt werden.†œ
Nach dieser immerhin sehr bemerkenswerten Unterschätzungen durch die beiden ersten Informanten, (KID Heidelberg und Aufklärungsblatt des Urologen) habe ich mich natürlich um weitere Informationen zu diesem Problem bemüht. Dabei war für den Laien unschwer zu erkennen, daß es hier ein ganz konkretes Problem gibt.
Zitat aus einer Untersuchung im Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf:
„Dagegen spricht die Tatsache, daß zahlreiche Tubuli seminiferi durch die Biopsie eröffnet werden. Des weiteren ist die große Verletzlichkeit des Keimepithels und die damit verbundene Möglichkeit des leichten Herauslösens einzelner Keimzellen bekannt (HOLSTEIN 1987). Dieser Vorgang kann auch für das Verhalten der Tumorzellen angenommen werden.†œ
In einer engl. Studie, auf die Bezug genommen wird, heißt es:
„when the coverings of the tumor are punctured and any of the contents escape, a local recurrence is almost to follow.†œ
Weiter heißt es:
„Auch in anderen Fachdisziplinen werden immer wieder Stimmen laut, die vor einer hämatogenen und lymphogenen Aussaat mit Fernmetastasierung und der lokalen Tumorzellenaussaat in die Biopsiestelle warnen†œ....
„Tumorzellenkontaminationen sind auch nach Nadelbiopsien am Pankreas, der Lunge, der Leber und der Mamma beobachtet worden (HABSCHEID 1987, HIX 1990, EVANS 1987, KOPANS 1988). ...
„Insbesondere nach diagnostischen Lungenbiopsien fanden sich Tumorzellen entlang dem Stichkanal im Lungenparenchym, der Pleura, dem knöchernen Thorax und der darüber-liegenden Haut (HIX 1990, MOLOO 1985, BAKER 1980).†œ ...
Auch bei der heute gängigen Aspirationsbiopsie einer Mamma mit suspektem Palpations-befund fürchtet man die Aussaat maligner Zellen in die Pectoralisfaszie hinein, die dank moderner Operationsmethoden heutzutage vielfach erhalten werden kann und die dann Grundlage einer Tumorrezidives ist.†œ
Die Literaturliste zu dieser Untersuchung läßt ebenfalls erahnen, daß die Tumorzellenaussaat ein ernstes Problem ist; Themen einzelner Arbeiten:
„Implantation of cancer of the prostate in site of perineal needle biopsie†œ;
„Safety of and necessity for needle biopsy of liver tumors†œ;
„Needle tract seeding following aspiration of the renal cell carcinoma†œ;
„Haumetastase nach ultraschalgezielter Feinnadelpunktion eines Pankreaskarzinoms†œ;
„Needle aspiration in lung cancer. †“ Risk of tumor implantation is not negligble†œ;
„Needle tract seeding after percutaneous renal adenorcarcinome aspiration†œ;
„Does preoperative needle localization lead to an increase in local cancer recurrence†œ;
„Possible spread of bronchongenic carcinoma of the chest wall after a transthoracic fine needle†œ
„Scrotal operation or biopsy of testiscular tumors †“ a fatal mistake?†œ;
„Risk factors for perineal seeding of the prostate cancer after needle biopsy†œ.
„Die Frage der lokalen Tumorzellenaussaat in den Biopsieentnahmebereich mit einem anschließenden Tumorwachstum ist also immer noch eine kontrovers diskutierte Frage†œ, heißt es in dieser Untersuchung.
In einer anderen Arbeit lese ich:
„... Es gibt in bestimmten med. Kreisen auch einige Bedenken darüber, daß ein radikaler Eingriff, um Prostatakrebs zu behandeln, lediglich dazu führt, daß sich die Krankheit ausbreiten kann. Ärzte haben angenommen, daß die schlechten Überlebenschancen damit zusammenhängen, dass es beim Prostatakrebs zu tödlichen Metastasen kommt. Es ist jetzt aber entdeckt worden, daß Chirurgen während eines operativen Eingriffs unbeabsichtigt die Krebszellen auf andere Körperteile ausgebreitet haben. In einer Studie 14 überwachter Operationen wurde anschließend im Blut von 12 Patienten Prostatakrebszellen entdeckt. Bevor sie operiert wurden, hatten nur drei eine solche Zellzirkulation gehabt.
Sollte ich mich in Anbetracht solch kritischer Stimmen „im Zweifelsfall für eine weiterführende Diagnostik entscheiden†œ, wie es in einer Dissertation heißt, obwohl schon im nächsten Satz die Warnung folgt: „Man muss aber auch hierbei eine gewisse Mortalität und Morbilität durch die nachfolgenden diagnostischen und therapeutischen Eingriffe berücksichtigen, die den Patienten teilweise einem hohem Risiko aussetzen, ohne ihm einen sicheren Nutzen zu garantieren (GERBER 1991)
In einem allg. Ratgeber über med. Probleme ist unter dem Kapitel Prostatakrebs folgendes zu lesen:
„... andere Forschungen zeigen, daß selbst jüngere Männer, die einen sich langsam aus-
breitenden Prostatakrebs haben und das Alter von sechzig Jahren erreichten, wahrschein-
lich genauso lange leben, wie Männer die keine Tumore haben.
„... Abgesehen von der Tatsache, daß es so aussieht, als ob Prostataoperationen die Über-
lebenschancen nicht verbessern, können radikale Eingriffe und Untersuchungen ganz einfach sehr oft einen Krebs ans Tageslicht bringen, der ansonsten, wenn man ihn in Ruhe lassen würde, untätig †“ und harmlos †“ bliebe.
In einer englischen Sonntagszeitung vom 22. Oktober 2000 fand ich unter der Überschrift „Prostate cancer test under fire†œ folgende bedenkliche Aussage:
†œThe Government´s cancer screening tsar (Zar) has sparked controversy by saying he would never consider having a test for prostate cancer. Dr. Muir Gray, chairman of the National Screening Committee, believes treatment can do more harm than the disease itself. He told †œNursing Times†: ... †œI think most cancer epidemiologists here would refuse a test. There is no evidence screening reduces the death rate. Many prostate cancers never break out of the prostate.† ...
… The Department of Health say, it will introduce population-based screening if techniques improve. The main method is the prostate specific antigen (PSA) test, which can produce false positive results. Another test, is less than 50 per Cent accurate. A Spokeswoman said: †œThe Department supports Dr. Gray´s views that there is no evidence to support introduction of prostate cancer screening. If and when screening is proven effective, we will introduce it†.
Dass diese Meldungen bedenkenswert sind, lässt auch die derzeitige kontroverse Diskussion zum geplanten Brustkrebs Screening erkennen. Die Hamburger Professorin Mühlhauser schreibt dazu:
„Die Frauen sollen massenhaft zum Screening gelockt werden, indem man ihnen eine
30-prozentige Reduzierung der Brustkrebs-Todesfälle sozusagen als Köder vor die Nase hält. Doch die Informationen, die sie bekommen, sind einseitig und irreführend. Niemand sagt Ihnen ehrlich:
999 von 1000 Frauen haben keinen Nutzen vom Screening. 996 Frauen, weil sie ohnehin keinen Brustkrebs haben, und drei Frauen, weil ihr Brustkrebs zwar entdeckt wird, sie aber trotzdem daran sterben. Nur eine von 1000 Frauen wird also durch das Screening gerettet.
Da das Screening nicht ungefährlich ist, fragt man sich angesichts des äußerst mageren
1 Promille Nutzens, ob infolge die Belastung durch Röntgenstrahlung das statistische Plus-Resultat nicht noch weiter verwässert wird oder gar im Minus landet.
Wenn also selbst Experten in höchst verantwortlicher Stellung, wie z.B. Dr. Gray als Vorsitzender der National (Cancer-) Screening Committees von England, sich im höchsten Maße kritisch zu diesen Fragen äußern, dann müssen beim Laien zwangsläufig die Alarmglocken läuten. Jedenfalls zeigen mir die zu diesem Problem gesammelten Meinungen, daß ich bei dem weiteren Vorgehen vor einer schwierigen Entscheidung stehe.
Welchem Experten kann ich mehr vertrauen?
Wie schwierig die Entscheidung bei medizinischen Fragen für einen Laien ist, macht auch das Fazit von zwei dänischen Wissenschaftlern deutlich, die alle bisherigen Studien zum Thema Brust-Krebs unter die Lupe genommen haben. In der renommierten britischen Fachzeitschrift
„Lancet†œ heißt es dazu: „Der Großteil der Studien hat so gravierende methodische Mängel, dass ihre Ergebnisse reine Spekulation sind†œ.
Auch die Rahmenbedingungen des medizinischen Alltags machen die Entscheidung nicht leichter. „Wenn achtzig und mehr Kassenpatienten am Tag durch eine Praxis geschleust werden und Ärzte in Kliniken gehalten sind, dauernd Überstunden zu machen, dann ist für ein eingehendes Gespräch kein Raum†œ, schreibt die Chefredakteurin einer Zeitschrift für Medizin. Dabei sollte die Begegnung zwischen Arzt und Patient trotz aller technischen Errungenschaften im Zentrum ärztlichen Handels stehen.
Zweifellos brauche ich eine zweite Meinung eines Urologen, der eine umfassende Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet besitzt. Dieser Urologe sollte auch Verständnis haben für meine kritischen Einwände, die ich als Laie ja nur aus zweiter Hand machen kann, und diese nicht etwa als hinderliches Misstrauen auslegen.
In Anbetracht der beträchtlichen kritischen Stimmen, die gegen eine weitere Diagnostik sprechen, möchte ich nicht blind der ersten ärztlichen Diagnose vertrauen. Nach meinem bisherigen Informationsstand neige ich zu einer Strategie des Abwartens und Beobachtens, zumal meine PSA Werte bisher mehr oder weniger gleich geblieben sind;
7,5 / 6,9 / 6,8 / 9,48 / 7.6 / 8,0 / 7,5 jeweils gesamt PSA.
Ich kann mir aber auch vorstellen, daß ich als Laie die mir vorliegenden Daten noch zu einseitig gewichte und mir ein Fachmann in einem vertrauensvollen Gespräch unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Gesichtspunkte meine jetzigen Bedenken und Ängste gegen eine Biopsie nehmen könnte.
Besonders, da es sich hier um einen Grenzfall im sogenannten Graubereich handelt, möchte ich in jedem Fall in die Lage versetzt werden, als Patient kompetent mitentscheiden zu können. Das blindes Vertrauen gerade in medizinischen Fragen nicht angebracht ist, das beweisen mir gerade Ratgeber zu Prostata-Erkrankungen, die leider zu oft zur Schönfärberei neigen.
Von der Takeda Pharma, Aachen (Im Dienste der Gesundheit) liegt mir z.B. ein Broschüre
„Den Jahren Leben geben †“ Was jeder Mann über 45 wissen sollte†œ vor.
Dort heißt es zum Punkt Untersuchungs-Ablauf:
„Eine Gewebeabnahme ist praktisch ungefährlich †“ eine Verschlimmerung oder Verschleppung des Leidens (Aussaat von Krebszellen) ist bei der modernen Untersuchungstechnik
a u s g e s c h l o s s e n.†
Zum Punkt Radikale Prostatektomie ist dort zu lesen:
„Nach Entfernung der Prostata wird die Harnröhre mit der Blase wieder vernäht, so dass das Wasserlassen normal erfolgen kann. Allerdings kann es nach der Operation in Einzelfällen, und dann meist nur vorübergehend, zu einem unwillkürlichen Harnverlust kommen. Der Schließmuskel muss wieder trainiert werden. Zusätzliche Maßnahmen sind nur in Ausnahmefällen notwendig.†œ
Eine solche Verniedlichung und Umkehrung der Wirklichkeit kann ich in Anbetracht der mir vorliegenden Informationen nur unredlich und keineswegs vertrauenerweckend nennen.
Immer wieder wird von Betroffenen berichtet, dass sich die Lebensqualität nach einer radikalen Prostatektomie dramatisch verändert hat und dass dies den Patienten vor der Operation selten
deutlich gemacht wird. Viele Ärzte beteuern nervenschonend zu operieren, „doch†œ, so berichten Betroffenen „sieht die Realität ganz anders aus†œ.
„Tabuisierung kann beim Prostatakrebs lebensgefährlich sein†œ lese ich. Man möchte hinzufügen „Blindes Vertrauen in die sogenannten Experten ebenso†œ. Abwarten, Beobachten und Informationen sammeln scheint mir daher zur Zeit die vernünftigste Vorgehensweise zu sein.
Ich hoffe, dass ich doch noch einen kompetenten Arzt finde der für meine skeptische Einstellung und Ängste Verständnis hat und mit dem ich dann vertrauensvoll zu einem gemeinsam durchdachten Vorgehen finde. Außerdem hoffe ich auf Rat und Aufklärung von betroffenen Patienten aus den Selbsthilfegruppen.
Stand 30. Dezember 2001
Nachtrag 15. Februar 2002:
Inzwischen habe ich weitere kritische Stellungnahmen von Biopsiegegnern ausfindig machen können.
Ein Prof. Rothauge sagte in einem Spiegelgespräch auf die Frage:
„Haben Sie sich mit ihren 53 Jahren schon einer Vorsorgeuntersuchung wegen der Prostata unterzogen?†œ, „Nein, aus weltanschaulichen, religiösen und medizinischen Gründen nicht†œ.
Prof. Ernst Krokowski, Kassel schreibt in der Zeitschrift „Der Kassenarzt†œ (1979):
„Bei einer Untersuchung dürfen auf keinen Fall bösartige Tumore verletzt werden. ... Die meisten Metastasen entstehen bei der Erstbehandlung†œ.
„Vier von fünf Patienten, die dem Krebs erliegen, sterben an ihren Metastasen und nicht an dem Frühtumor†œ, lese ich im Buch „Alternativ-Medizin durch Ausdauer†œ von Dr. med. Ernst van
Aaken. In einem Brief schrieb Otto Warburg an Dr. van Aaken, dass der Mensch durch sein Eingreifen die Metastasen verursacht.
„Nur ein kleiner Bruchteil der Patienten stirbt an ihren Wucherungen, die meisten sterben an den hinzugekommenen Metastasen und Krankheiten ... Das Krebsproblem ist ein Metastasenproblem geworden, denn diese Tochtergeschwülste entstehen wahrscheinlich in vielen Fällen durch Biopsie, frühzeitige Operationen, Bestrahlungen und mit Sicherheit durch Cytostatika†œ, schreibt Dr. van Aaken in seinem Buch.
Der Kasseler Professor Ernst Krokowski berichtete vom 58. Deutschen Röntgenkongress: „dass sich die gefährlichen Metastasen eines Krebses offenbar nicht bloß selbst bilden, sondern durch ärztliche Behandlung geradezu erzeugt würden†œ.
Nachdem mehrere Biopsiegegner †“ Freise/Berlin, Gabler/Berlin, Krokowski/Kassel, Zuppinger/Bern - in der einschlägigen Literatur behaupteten, dass durch Biopsieeingriffe mit großer Wahrscheinlichkeit die Bildung von Tochtergeschwülsten erst richtig in Gang gebracht würden, sah sich der wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer genötigt eine Ad-Hoc-Kommission einzuberufen, die sich ausschließlich mit der Frage „Metastasenförderung durch diagnostische Gewebsentnahme (Biopsie)?†œ beschäftigte.
Im dem im Deutschen Ärzteblatt 1980 veröffentlichen Bericht heißt es bereits im ersten Satz der Stellungnahme:
„Die Kommission geht von der grundsätzlichen Möglichkeit aus, dass operative Maßnahmen
jeder Art, also auch Probeexzisionen und Punktionen, zu einer Einschwemmung von Tumor-zellen in die Lymph- und Blutbahn oder zu einer Verschleppung in das gesetzte Wundgebiet mit nachfolgenden Implantationsmetastasen führen können (Ackermann & Wheat 1955); Asakawa 1963; Freise et al. 1967; Hagemann 1967; Jonasson et al. 1961; Malmgren 1967; Watne et al. 1961).†œ
Die Kommission versucht zwar die Gefahren herunterzuspielen indem sie z.B. beim Mammakarzinom für Schnellschnittuntersuchungen oder zweizeitiger Eingriff innerhalb einer Woche plädiert, was die Gefahr hämatogener oder lymphogener Metastasierung ausschließen soll, sie erkennt jedoch an,
„dass lokale Tumorzellenverschleppung zu Implantationen oder Narbenmetastasen führen können†œ und dass „Implantationsmetastasen in Thorakotomienarben oder im Stickkanal nach
Nadelbiopsie aus der Prostata als real angesehen werden (Blackard et al. 1971, Desai et al. 1974, Sinner et al. 1976)†œ.
Prof. Ernst Krokowski, bei dem die Diagnose des Prostatakarzinoms durch Biopsie im Mittelpunkt seiner Kritik steht, drückt sich da weniger vorsichtig aus, sondern spricht ganz deutlich aus, dass
„bei einer Untersuchung in keinem Fall bösartige Tumore (Malignome) verletzt werden dürfen†œ
Aus der Beobachtung von über 3000 Patienten mit Lungenmetastasen kommt er zum chluss,
„dass bei Frühfällen die Tochtergeschwülste zur Zeit der Erstbehandlung ausgelöst wurden†œ.
In einem „Appell an die Eigenverantwortlichkeit†œ wendet sich Prof. Krokowski mit anderen Kritikern scharf gegen das Herausschneiden von Geschwulststücken:
„Durch die Feinbiopsie-Nadel von 0,4 Millimeter Durchmesser und einen Stickkanal von fünf bis zehn Millimeter würden bei durchschnittlicher Zelldichte 100.000 bis 200.000 Tumorzellen herausgelöst, die gleiche Zahl aber werde durch den Stich selbst berührt. Eine fächerförmige Punktion, wie sie bei der Prostatadiagnostik üblich sei, setzte eine halbe bis eine Million Tumorzellen in Bewegung. In wenigen Jahren werde die ungeschützte Punktion eines Malignom als Kunstfehler gelten†œ.
Folglich empfiehlt Prof. Krokowski zwar eine kontrollierte Beobachtung der Prostata aber ohne Biopsie.
Dr. van Aaken schreibt:
„Beruhigend ist, dass Krebs nicht gleich Krebs ist und sich manche Krebstumoren jahrlang ruhig verhalten. So ist auch das Wachstum des Prostatakrebses ein sehr langes, welches man gar nicht stören sollte, denn es gibt genügend Fälle, wo diese Krankheit im 50. und 60. Lebensjahr entdeckt wird und der Betreffende ohne Operation und Manipulation 70, 80 und 90 Jahre alt wurde. ... Der Chemiker Klemke schrieb mir: ... je nach Tumorart und entsprechend gut funktionierenden Immun- Abwehrsystem, könne bis zu 30 Jahre vergehen, bis sich aus einer einzigen Tumorzelle ein Tumor von 1 cm Durchmesser entwickelt, der eine Milliarde Tumorzellen enthält.†œ
Soll ich mich bei dieser Sachlage dem Risiko einer Biopsie aussetzen? Wie gesagt, Tast- und Ultraschallbefund sind bisher negativ. Die erhöhten PSA Werte sind relativ konstant im Grau-
bereich bis 10 ug/L. Die erhöhten Werte können durchaus in einer BPH begründet sein. Sollte es aber ein noch klinisch unauffälliger Tumor sein, so bedeutet das nach all dem, was ich
bisher an Informationen gefunden habe, noch lange nicht, dass ein solcher Tumor zum Tode führt. Ein Zufallsbefund durch Biopsie könnte allerdings durchaus der Anfang vom Ende sein.
In Gegenüberstellung der Biopsie Gefahren mit dem Risiko der verpassten Früherkennung
scheint mir, nach meinem jetzigen Kenntnisstand, eine engmaschige Vorsorgeuntersuchung ohne Biopsie der vertretbarere, vernünftigere Kompromiss zu sein.
Nachtrag 19. Februar 2003:
Inzwischen habe ich einen Urologen gefunden, zu dem ich volles Vertrauen habe. Er akzeptiert meine Bedenken gegen Biopsien und ist auch der Meinung, dass eine engmaschige PSA Kontrolle statt Biopsie bei den jetzigen Werten noch vertretbar ist.
Die PSA Werte des Jahres waren folgende:
Februar 2002 - Gesamt PSA = 8,1 -
Mai 2002 - Gesamt PSA = 8,0 -
Oktober 2002 - Gesamt PSA = 9,6 †“
November 2002 -Gesamt PSA = 8,8 †“ Quotient = 0,11
Eine Information, die ich Ende Januar 2003 von Herrn Peters von der SHG Rhein-Main erhalten habe, lässt mich meine bisherige Einstellung jedoch überdenken. Dort heißt es in einer e-Mail Anlage „Onkologen / Hämatologen†œ: ....
„Der Prostatakrebs ist eine systemische Krankheit und keine auf das Organ Prostata beschränkte. Systemische Krankheit heißt, wenn sich der Krebs in unserer Prostata gebildet hat, sendet er über das Blutsystem und das Lymphsystem Krebszellen, die sich als Mikrometastasen in unserem Körper niederlassen.†œ ....
Bedeutet das, dass es gar keine winzigen, nur sehr langsam wachsende, sprich medizinisch nicht relevante Karzinome gibt? Verursacht auch das kleinste Prostatakarzinom Mikrometastasen außerhalb der Prostata?
Inzwischen habe ich von dem Früherkennungssystem „ANNA†œ des Homburger Urologen Dr. Tillmann Locher erfahren. Wenn „ANNA†œ wirklich
„nicht sichtbare Prostata-Karzinome sowie verdächtige Areale vor Biopsie identifiziert†œ,
dann hätte sich mein Abwarten schon gelohnt.
Nachdem „ANNA†œ Mitte Januar 2003 in den ZDF 19-Uhr-Nachrichten erwähnt wurde, waren die Termine an der Uniklinik Homburg-Saar im Nu für das erste Halbjahr ausgebucht, so dass ich erst im Juli 2003 an die Reihe komme. Natürlich bin ich sehr gespannt, was „ANNA†œ in meiner Grauzone sieht.
Eine fächerförmige Punktion meiner Prostata, bei der nach Prof. Krokowski evtl. eine halbe bis eine Million Tumorzellen in Bewegung gesetzt werden, ist mir nach wie vor zuwider.
„Die meisten Metastasen entstehen bei der Erstbehandlung. Vier von fünf Patienten, die dem Krebs erliegen, sterben an ihren Metastasen, - nicht am Primärtumor†œ, so Prof. Krokowski, Leider der Strahlenklinik im Stadtkrankenhaus Kassel.
Mein Bruder hat mir die Broschüre „Prostatakrebs †“ Fakten und Handlungsbedarf†œ vom Nationalen Krebsbekämpfungsprogramm des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit und der Schweizer Krebsliga zugesandt. Dort lese ich auch, was der dänische Epidemiologe Ole Olsen schon bezüglich des Brustkrebses äußerte, nämlich, dass es in den Vereinigten Staaten eine dramatische Überbehandlung gibt.
Gleich im ersten Artikel heißt es in der Broschüre unter der Überschrift „The Epidemiology of Prostate Cancer†œ:
... With the indtroduction of aggressive case-finding with PSA in the USA in particular, the recorded incidence rate of prostate cancer has been increasing rapidly. Newly diagnosed prostate cancer cases were over 300.000 in 1996, making prostate cancer the leading site for incidence in men and second only to lung cancer mortality (with over 40.000 deaths) in the USA. This apparent epidemic could be explained by more frequent utilization of neddle biopsies, and mainly by widespread use of PSA testing, which rose substantially between 1988 and 1991 from 1,4 to 18 per 100 men over 65 years of age in the US. …†
Sieht man sich die abgedruckten PCA Mortalitäts-Balken-Diagramme für Europa an, dann stellt man ebenfalls verblüffende geographische Variationen fest. Das Gefälle von 22 Todesfälle pro 100.000 in Norwegen, Schweiz 22, Schweden 21, Dänemark 20 ..... bis Bulgarien 9, Rumänien 8, Russland 7, Ukraine 7, Mazedonien 6, Maldovia 4 scheint Bände zu sprechen; dort wo am meisten und „effektivsten†œ gesucht wird, sterben auch die meisten Patienten.
Ebenfalls aus einem Artikel aus der Schweiz: „Soll ich die Prostata auf Krebs untersuchen lassen? †“ (Ärztegespräch zwischen Arzt Andreas Weber und dem Patienten Freddy Spieler) heißt es am Ende unter der Überschrift „Nutzenforschung†œ:
„ Soll man die Prostata auf Krebs untersuchen lassen, auch wenn man keine Beschwerden hat? Die meisten internationalen Fachverbände empfehlen dies nicht. Sie stellen die Vorsorge-Untersuchung in Frage, denn der Nutzen ist bisher nicht erwiesen. ... Bestimmt man den PSA Wert bei 100 Männern im Alter zwischen 50 und 70 Jahren, so wird er bei etwa 10 Männern erhöht sein. Aber nur etwa 3 von diesen Männern haben einen Krebs, der sich bemerkbar machen wird. Das heißt: 7 dieser 10 Männer haben zwar einen erhöhten PSA-Wert, aber keinen Krebs. Um zu wissen, welche 3 betroffen sind, müsste man bei allen 10 eine Biopsie machen, das heißt mit einem Stanzwerkzeug Gewebeproben aus der Prostata entnehmen ...†œ
Klar, der Skeptiker wird sich fragen müssen, ob das Risiko von 30 % nicht relativ hoch ist. Mich macht diese Zahl natürlich auch skeptisch! Aber nicht minder skeptisch machen mich Berichte, die die Prostatakrebs-Vorsorge auf Teufel komm raus propagieren:
„Der CDU-Politiker (saarländischer Gesundheits-Staatssekretär Josef Hecken) untermauerte seine Sicht mit den Zahlen: Prostatakrebs habe in den vergangenen zehn Jahren um über 100 Prozent zugenommen und sei bei Männern seit 1998 bundesweit die verbreitetste Krebsart ... und „wer still vor sich hinleide, obwohl ihm beim Urologen mit wenig Aufwand geholfen werden könne, sei kein echter Mann, sondern eigentlich nicht mehr und weniger als ein echter Trottel†œ..; so die Ärzte Zeitung vom 13.11.2002.
Vorerst ziehe ich es noch vor ein „echter Trottel†œ zu sein und weiter auf Informationen zu hoffen, die mir Risiken und Nutzen von Diagnose und Therapie glaubhafter darstellen als es bisher der Fall ist.
Der Chefarzt (Hämatologe und Vater von vier Kindern) einer Kurklinik, in der vorwiegend an Brust- und Prostatakrebs Erkrankte weiterbehandelt werden, hat mir in einem längeren Gespräch auf meine Frage, was er persönlich in meiner Lage tun würde, klipp und klar geantwortet, dass er sich auf keinen Fall einer radikalen Prostatektomie aussetzen würde und er deshalb auch nicht an seinem PSA-Wert interessiert sei. Ich teile zwar diese Ansicht nicht, denn bei einem über den Graubereich hinausgehenden PSA-Wert würde ich auf eine weitergehende Diagnose und Therapie nicht verzichten, jedoch signalisiert mir diese
verblüffende Einstellung eines Hämatologen, dass bei dieser Problematik äußerste Vorsicht geboten ist.
Nachtrag 4. Juni 2003:
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien am 23. April 2003 auf der Seite „Natur und Wissenschaft†œ der Artikel:
„Ein schlüpfriger Test†œ
†“ Krebsvorsorge im Zwiespalt: Der Fall Prostata entzweit Mediziner -..
Mit dem „schlüpfrigen Test†œ ist der PSA-Test gemeint. Zitat FAZ.
...†œDabei geht es freilich um nichts weniger als um die Frage, wie aussagekräftig und robust ein Früherkennungstest wirklich sein muss, um den erhofften Nutzen auch wirklich zu erzielen. Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin in Freiburg jedenfalls bestreitet, dass dies für den Test zur Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA) der Fall ist. Es gebe keine einzige Studie, die unmissverständlich zeige, dass durch den Einsatz dieses Testes weniger Männer an Prostatakrebs sterben.†œ
Diese Aussage passt erstaunlich gut zu der vorgenannten Aussage des Hämatologen aus der Kurklinik, in der meine Frau wegen Ihrer Brustkrebserkrankung wiederholt zur Kur war.
Weiter heißt es im FAZ-Text, dass zwar im fortgeschrittenen Alter rund fünfzig von hundert Männern Prostatakrebs haben, aber bei 80 % dieser Männer verursacht der Krebs keinerlei Beschwerden und wird auch nicht die Todesursache sein. Dies Männer müssten eigentlich nicht behandelt werden und profitierten daher auch nicht von einer Früherkennung, sondern werden dadurch eher belastet.
Bei 10% dieser Männer ist der Tumor so weit fortgeschritten ist, dass ihnen keine Behandlung mehr helfen wird. Auch Sie profitieren nicht von der Früherkennung, sondern werden nur früher mit ihrem unausweichlichen Schicksal konfrontiert.
Statistisch profitieren nur 5 Männer, aber diese Gruppe kann durch den Test nicht zweifelsfrei identifiziert werden. „Selbst eine Gewebeprobe zeigt nicht eindeutig, wie aggressiv oder wenig aggressive der Tumor ist. Das haben Angelo M. DeMarzo und seine Kollegen von der John Hopkins University School of Medicine in Baltimore auch im New England Journal of Medicine gezeigt (Bd. 361, S. 955).†œ
Das bedeutet also, dass nach Anwendung des PSA Tests viel mehr Männer als nötig behandelt werden, denn den 10% die sterben, stehen noch 90 % gegenüber, die nicht sterben.
Von diesen Männern bezahlen viele die „Heilung†œ mit Erektionsstörungen und mangelnder Kontrolle der Blase. Die ausgezeichnet Heilungsrate bei den statistisch 5 Männern (10%) die profitieren ( abhängig vom Stadium der Erkrankung und der gesundheitlichen Verfassung werden 80 % bis 90% der operierten Patienten geheilt), wird allen potentiellen Patienten als Argument für die Behandlung angedient, obwohl davon viele dafür unnötig mit Impotenz und Inkontinenz bezahlen müssen.
Der F.A.Z. Artikel schließt mit der Feststellung:
„Ein amerikanisches Gremium, die Präventive Service Task Force, hat im vergangenen Jahr beschlossen, den Nachweis des prostataspezifischen Antigens nicht zur Früherkennung von Prostatakrebs einzusetzen. Auch die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt den Test nicht für die Krebsfrüherkennung.†œ
Nach diesem Artikel habe ich mich noch intensiver mit dem Statistik Problem beschäftigt und dabei festgestellt, dass nicht nur Laien mit statistischem Denken enorme Probleme haben, sondern in erstaunlich hohem Maße auch Ärzte.
Vor über 60 Jahren schrieb H.G. Wells in seiner „Zeitmaschine†œ: „eines Tages werden wir erkennen, dass statistisches Denken für mündige Bürger genauso notwendig ist wie die Fähigkeiten zu Lesen und Schreiben†œ. Nachdem ich in einem Buch über kognitive Fehlleistungen und ihre Ursachen den Artikel „Die Repräsentation von Information und ihre
Auswirkung auf statisches Denken†œ gelesen habe, scheint dieser Tag noch in weitere Ferne zu liegen.
In diesem Beitrag wird z.B. eine Harvard-Medical-School Studie erwähnt, in der 60 Professoren, Ärzte und Studenten der Harvard Medical School ihr Urteil für das folgende Diagnose-Problem abgaben:
„Wenn ein Test für eine Krankheit mit einer Basisrate von 1/1000 (ein Krebsfall auf 1000 Personen) eine Falsch-Positiv-Rate von 5 % hat, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person mit einem positiven Testergebnis tatsächlich die Krankheit hat, angenommen Sie wissen nichts weiter über die Symptome und Krankheitszeichen der Person?†œ
Das häufigste Urteil der Professoren, Ärzte und Studenten war 95%. Nur 11 Personen wussten die korrekte Antwort, nämlich 2% Wahrscheinlichkeit. Das ist ein erstaunliches und zu denken gebendes Ergebnis, vor allem wenn man noch bedenkt, an welch einem renommierten Institut die Studie stattfand.
Immerhin wurde die Krankheitswahrscheinlichkeit von der Mehrheit der medizinisch ausgebildeten Personen um das 46fache überschätzt. Dabei ist die Rechnung an sich recht einfach:
Von 1000 Personen erkrankt eine Person. Bei einer Falsch-Positiv-Rate von 5% sind bei 999 nicht erkrankten Personen 50 Personen, bei denen der Test positiv ausfallen wird. Mit der einen erkrankten Person gibt es also 51 Personen mit einem positiven Test, so dass der gesuchte Anteil bei 1 zu 51 Personen liegt. Bei 1 zu 51 beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass eine positiv getestete Person tatsächlich die Krankheit hat, bei ca. 2%. Bei diesem Beispiel wurde eine perfekte Sensitivität des Test vorausgesetzt, was in der Realität nicht der Fall ist. Ginge man hier z.B. von einer Sensitivität von 0,8 aus, dann würde die Wahrscheinlichkeit bei 1,6% liegen und bei geringerer Sensitivität würde der Wert noch etwas kleiner werden.
Ein ähnlich verblüffendes Resultat wurde bei der Befragung von Ärzten festgestellt. Bei einer Frau wird bei einer Mammographie ein positives Testergebnis gefunden. Die Frau will wissen, wie wahrscheinlich es sei, dass sie wirklich an Brustkrebs erkrankt sei. 99% oder 90% oder
50%, das würde ja einen Unterschied machen. Der Arzt meint, da die Zuverlässigkeit der Mammographie bei 80% liegt, wäre die Wahrscheinlichkeit 80%, dass sie Krebs habe.
In Wirklichkeit liegt die Wahrscheinlichkeit nach dem Theorem von Bayes nur bei etwa 8% und nicht bei 80%. Das dies keine Ausnahmefall war, hat ein Test (EDDY 1982) erbracht.
95 von 100 Ärzten schätzten die Wahrscheinlichkeit von Brustkrebs nach positivem Test auf etwa 75%. Erwähnt wurde noch, dass solche gravierende Fehlschlüsse sogar in medizinischen Lehrbüchern für Krebsdiagnose vorkommen.
Wie wenig fundiert und fragwürdig medizinische „Erkenntnisse†œ nicht selten daherkommen, konnte ich kürzlich wieder feststellen. Anfang Mai 2003 ging es in einer großaufgemachten HÖRZU-Titelstory um „Pollenflug, verrücktes Immunsystem†œ und vor allem um „Allergien bei Kindern†œ. Ein Fazit des medizinische Kompetenz vorgebenden Berichts war, dass „Stillen die beste Vorbeugung†œ ist. „Zahlreiche Studien zeigen, dass die Ernährung in den ersten sechs Monaten ausschließlich mit Muttermilch die beste Allergievorbeugung ist ... „ war da aus der
„Quelle: Deutsche Haut- und Allergiehilfe†œ zu hören. †“
Hoppla, gerade hatte ich noch mal einen Bericht der F.A.Z. vom 25.09.2002 mit dem Titel „Vergrößerte Prostata falsch behandelt?†œ gelesen. Auf der gleichen Seite „Natur und Wissenschaft†œ stand neben dem aktuellen Kongressbericht zur Prostatabehandlung das
Ergebnis von Forschern aus Kanada und Neuseeland über die Vor- und Nachteile des Stillens.
„Höheres Allergierisiko durch Stillen?†œ, titelte der Bericht und führt u.a. aus: ...†œEs zeigte sich, dass bei Kindern, die länger als vier Wochen gestillt worden waren, das Risiko für Allergien und Asthma auf das Doppelte erhöht war („Lancet†œ, Bd. 360, S. 901)†œ. Man nimmt verwundert zur Kenntnis, dass das Beste und das Schlechteste in medizinischer Aufklärung identisch sein können.
Wenn schon das Stillen unter Fachleuten so kontrovers diskutiert, dann, so empfinde ich es als Laie auf medizinischem Gebiet, ist erst recht beim Thema Prostatakrebs große Skepsis angebracht.
In einem Bericht aus dem Schweizer „PULSTIPP†œ mit dem Titel „Abwarten ist oft die beste Therapie†œ ist im Juni 2003 u.a. zu lesen:
„Das Abwarten †“ in der Fachsprache „Watchful Waiting†œ genannt †“ ist eine anerkannte Strategie bei Prostatakrebs. Studien haben gezeigt, dass über 80 Prozent der Männer, die sich nicht behandeln lassen, innerhalb von zehn Jahren nicht am Krebs starben, denn der Tumor wächst sehr langsam.†œ
Weiter heißt es:
„Professor Ben L. Pfeifer an der Äskulap-Klinik in Brunnen hat die verschiedenen Therapien gegen Prostatakrebs verglichen und kommt in seiner Studie zum Schluss: †œMomentan wissen wir von keiner Behandlung verlässlich, dass sie zur Heilung führt, lebensverlängernd wirkt oder dem Patienten längerfristig mehr Vor- als Nachteile bringt†œ.... „Viele Urologen empfehlen ... das Prostata-Screening. Ihr Ziel: Prostatakrebs möglichst früh zu erkennen. Bisher konnten
Wissenschaftler nicht nachweisen, dass deswegen tatsächlich weniger Männer an Prostatakrebs sterben.†œ
Der „Krebsspezialist Christian Marti aus Winterthur†œ wird in dem Bericht wie folgt zitiert:
„Es ist noch immer umstritten, ob die Überlebenschance der Patienten steigt, wenn man sie früh behandelt†œ ... und weiter „Auch die Weltgesundheitsorganisation spricht sich gegen das Screening aus†œ ... Zudem wird mit der Vorsorgeuntersuchung auch Krebs entdeckt, der den Patienten zeitlebens gar nie gestört hätte. Von den 70 bis 80 Jährigen hat ungefähr jeder zweite Mann Krebs in der Prostata, aber nur 4 von 10.000 sterben daran†œ.
In der FAZ Leserdiskussion zu dem am 23.04.2003 erschienen Artikel „Ein schlüpfriger Test †“ Krebsvorsorge im Zwiespalt†œ schreibt Prof. Dr. P. Fornara vom Universitätsklinikum Halle-Wittenberg in einem Leserbrief; FAZ vom 6. Mai 2003, u.a.:
„ Der Deutschen Gesellschaft für Urologie ist natürlich bewusst, dass die formale Evidenz nach den anerkannten Kriterien der evidenzbasierenden Medizin einer Senkung der prostataspezifischen Modalität (??? - als Laie lese ich hier Mortalität) noch nicht vor vorliegt†œ.
Er geht aber aufgrund von „Zwischenergebnissen mehrere Studien aus den Vereinigten Staaten, aus Kanada und Europa†œ insgesamt von „einer Senkung der Sterblichkeit der Prostatakarzinom-Patienten um mindestens 6 Prozent†œ aus.
Wiederum fragt man sich als Laie, was diese noch fraglichen „mindestens 6 Prozent†œ in Anbetracht der erheblichen „Kollateralschäden†œ - medizinisch von Nebenwirkungen zu sprechen scheint mir bei einer radikalen Prostatektomie zu euphemistisch - einzuschätzen sind.
In Anbetracht der vielen offenen Fragen tendiere ich weiter zum abwartenden Beobachten, zumal man zur Zeit laufend von neuen Verfahren hört.
So war vor eineigen Wochen in einer BBC Nachrichtensendung zu hören, dass einem Forscherteam eine Krebsimpfung gelungen sei.
Meine Anfrage beim Cancer Research Institute in London ergab, dass am Cancer Institute
der University of Pittsburgh ein cancer vaccine entwickelt wurde. Von der Berliner Charité wurde Mitte Juni in der Presse von einer Tumor Impfung mit magnetischen Nanoteilchen und anschließender Überwärmung des Tumors berichtet. Außerdem soll man dort an einem Laser-Hauttest arbeiten, der bei Brust- und Prostatakrebs in absehbarer Zeit die Biopsie ersetzen könnte.
Abwarten und hoffen scheint mir also weiterhin ein vertretbares Risiko zu sein.
Recherche Stand 30.06.2003
Nachtrag 5. August 2003:
Inzwischen habe ich im Juli 2003 das Früherkennungsprogramm „ANNA†œ an der Homburger Uniklinik kennen gelernt. Vom Besuch des „Zentrums für Prostatadiagnostik†œ hatte ich mehr Aufklärung erwartet und gehofft, dass ich danach meine Zweifel bezüglich meines weiteren Vorgehens besser einschätzen könnte. Bezüglich dieser Hoffnung bin ich aber enttäuscht worden.
Noch vor dem Gespräch mit dem untersuchenden Arzt wurde mit eine Patientenerklärung zur Unterschrift vorgelegt, mit der ich einer Biopsie zustimmen sollte. Ich hatte bereits im Januar 2003, bei meiner Anmeldung für den Termin im Juli 2003, in meinem Anschreiben ausdrück-lich auf meine Bedenken zur Diagnose und Behandlung hingewiesen und den hier in Rede stehenden Text dem Schreiben beigefügt. Ich war daher im Juli 2003 davon ausgegangen, dass meine Zweifel und Vorbehalte bekannt seien. Das war aber leider nicht so, denn die Diskussion zwischen dem Arzt und mir begann ganz von vorne, als ich ihm die Patienten-erklärung unausgefüllt übergab.
Offensichtlich hatte keiner meinen Text gelesen. Da er auch nicht der Behandlungsakte beilag, ist er vermutlich unbeachtet im Papierkorb gelandet. Es folgte also eine ganz frische
Diskussion und es dauerte wertvolle Zeit, bis die beiderseitigen Standpunkte ausgetauscht waren. Die verständliche Folge war, das am Ende sowohl der Arzt und natürlich auch ich irritiert waren und das Gespräch eher angespannt und weit entfernt von einen idealen Arzt / Patienten Dialog verlief.
Ich war nicht bereit einer sechsfachen Stanzbiopsie zuzustimmen und der Arzt lehnte schließlich eine Diagnose mit „ANNA†œ ab, ohne mein vorheriges Einverständnis für die Biopsie zu haben. Derart vor die Alternative gestellt, habe ich mir ½ Stunde Bedenkzeit erbeten.
Ich habe dann mit meiner Frau in der Warteecke im Klinikflur überlegt, ob ich einer Biopsie zustimmen soll oder nicht. Wir hatten nun den relativ weiten Weg von Frankfurt nach Homburg an der Saar gemacht, hatten dort für einige Tage ein Quartier gebucht, für den Fall, dass die Diagnose weitere Entscheidungen zweckmäßig erscheinen ließ und wollten jetzt nicht unverrichteter Dinge den Termin platzen lassen.
Auf unsere leise geführte Diskussion wurde ein anderer wartender Patient aufmerksam und klinkte sich in unser Gespräch ein. Dieser Patient war eigens von München angereist und wollte ebenfalls eine unblutige Diagnose. Seine PSA Werte schwankten ebenfalls um die
10 ng/ml. Er hatte schon zwei negative Stanzbiopsien mit gewissen Komplikationen hinter sich und wollte auf keinen Fall einer erneuten Biopsie zustimmen. Auch er versprach sich von „ANNA†œ eine aussagekräftige ungefährliche Diagnose.
Während wir im Gespräch waren, kamen zwei Saarländer aus dem Sprechzimmer, die den Behandlungstermin abbrachen, weil sie die Biopsie nicht eingeplant hatten und daher auch konsequent bei dieser Einstellung blieben.
Ermutigt durch diese Begegnungen, die mir zeigten, dass ich mit meinem Zweifel und vorsichtigen Verhalten nicht alleine war, habe ich mich dann entschlossen, ebenfalls bei meiner vorgefassten Meinung zu bleiben. Ich habe den Arzt schließlich höflich aber bestimmt, unter Hinweis auf meine lange Anfahrt, gebeten, die Diagnose auch ohne folgende Biopsie durchzuführen. Obwohl er im vorherigen Gespräch gesagt hatte, dass dies keinen Sinn mache, war er dann doch, zu meiner Überraschung und Freude dazu bereit.
Was folgte, war eine schnelle und, wie ich meine, auch recht dürftige Diagnose. Auf dem dritten Bildschirm, auf dem die Auswertung des „ANNA†œ Programms sichtbar gemacht wurde, blinkten in der Mitte des transrektalen Ultraschallbildes insgesamt 11 Rechtecke rot markiert auf. Auf dem folgenden Ausdruck war dann zu lesen,
dass meine Prostata vergrößert sei,
das Volumen 45 ml betrage,
dass eine Zyste vorhanden sei,
dass Hinweise auf eine Prostatitis und Verkalkung vorhanden sind und
dass in der mittlerer Lage ein Malignitätsverdacht zu diagnostizieren sei.
Meine Frage, ob nach diesem Kurzbefund mein behandelnder Urologe einen ausführlicheren Bericht erhalte, wurde verneint. Ich hätte nun natürlich gerne erfahren, wie diese Diagnose zu bewerten ist. Leider versagte in diesem entscheidenden Moment das wünschenswerte gute
Arzt Patienten Verhältnis. Das gespannte Vorgespräch, die Bemerkung des Arztes, dass ich seine Zeit schon über Gebühr in Anspruch genommen hätte, hielten mich dann schließlich
davon ab das Gespräch weiterzuführen, zumal ich durch meine Ablehnung der Biopsie in einer schwächeren Argumentationsposition war. Auch schien mir der Arzt nicht gerade seinen besten Tag zu haben. Beide seiner Ellbogen waren voller Schürfwunden als sei er gerade mit dem Fahrrad oder Motorrad verunglückt und über den Asphalt gerutscht.
Ich habe also mit einem Malignitätsverdacht die Heimreise angetreten und der diffusen Frage im Hinterkopf, wie ist die Computerdiagnose „ANNA†œ zu bewerten. Als Programmierer weiß ich natürlich das Resultate nicht nur vom Input abhängen, sondern ganz entscheidend auch von der Verarbeitung der eingegebenen Bits und Bytes abhängt. Aber die Gedanken helfen mir nicht weiter. Alles läuft letztendlich auf die Frage Biopsie ja oder nein hinaus.
(Nachträgliche Einfügung Ostern 2005: Der „ANNA†œ Spezialist ist nicht mehr in Homburg Saar, wohin er, nach meinen Informationen, mit seinem Chef vom UNI-Klinikum Kiel umgezogen war. Inzwischen ist er wieder zurück nach Schleswig-Holstein gegangen und hat „ANNA†œ jetzt in einem Krankenhaus in Flensburg eingerichtet. Da eine kassenärztliche Zulassung fehlt, kosten Untersuchung und Biopsie jetzt einige hundert Euro.)
Nachdem ich inzwischen die Problematik erneut eingehend mit meinem Urologen erörtert habe, bin ich zu der Ansicht gekommen weiter auf eine Beobachtungsstrategie zu setzten. Mir fehlt immer noch das nötige Vertrauen in die derzeitige Krebsdiagnostik. Die in Homburg gemachten Erfahrungen waren auch nicht dazu angetan, mich von dieser skeptischen Haltung abzubringen.
Von einem Bekannten aus Amerika wurde ich Ende Juli 2003 auf eine Studie aufmerksam gemacht, in der unter dem Titel „Under the knife, Under the Gun†œ, Ärzte des Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle schätzen, dass „die PSA Vorsorge zu einer Überdiagnose-Rate von über 40% führt†œ; ...„PSA may result in an over-diagnosis rate of more than 40 percent... Benfits of cancer screening are uncertain to say the least ...†œ
Ich bin oben schon einmal von der Prostatakrebsvorsorge auf die Brustkrebsvorsorge ausgewichen um die allgemeine Problematik der Krebsvorsorge zu beleuchten. Nach dem ich auch da eine sehr kontroverse Diskussion ausgemacht habe, war ich nicht überrascht, als mir mein Bruder nun einen Bericht aus der Neuen Züricher Zeitung vom 19. Juni 2003 übergab.
Dort heißt es unter dem Titel „Brustkrebs in Europa Todesursache Nr. 1 †“ Früherkennung soll Leben retten†œ im zweiten Absatz unter der Überschrift: „Weltweit steigende Erkrankungsraten†œ:
„Weltweit weisen alle Industriestaaten mit Ausnahme von Japan hohe Erkrankungsraten auf, doch bestehen große Unterschiede zwischen einzelnen Staaten. Spitzenwerte bei den Neuerkrankungen pro 100.000 Frauen verzeichneten die Niederlande (91,6), Dänemark (86,2), Frankreich (83,2), Belgien (82,2), und Schweden (81), während die Raten in
Griechenland (47,6) und Spanien (47,9) und Beitrittsstaaten wie Litauen (39,8) und Lettland (42,2) weitaus niedriger lagen.†œ
Man reibt sich die Augen. Ist nicht Holland das Land, das den deutschen Frauen als Vorbild in der Brustkrebsvorsorge vorgehalten wird. Warum hat ausgerechnet dieses Land mit Abstand die höchste Rate der Brustkrebsneuerkrankungen.
Mir ist schon bei den Statistiken des Nationalen Krebsbekämpfungsprogramm des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit und der Schweizer Krebsliga aufgefallen, dass Erkrankungsraten beim Prostatakrebs in vielen Ostblockländern um ein vielfaches unter den Erkrankungsraten der westeuropäischen Industrieländer liegt.
Auch bei der vorgenannten Statistik über die Brustkrebs-Erkrankungsrate, die dem EU-Parlament in Straßburg zur Entscheidungsfindung vorliegt, ist auffällig, dass die Erkrankungs-rate in den Niederlanden um gut 100 % über der Erkrankungsrate von Litauen bzw. Lettland liegt. - Was soll man davon halten?
In dem gleichen Artikel der Neuen Züricher Zeitung steht eine kleine eingegrenzte Textinsel mit dem Titel „Mammakarzinom bei Männern†œ. Dort heißt es u.a.
„Brustkrebs ist eine typische Frauenkrankheit. Doch auch Männer können daran erkranken, da sie ebenfalls Brustdrüsengewebe besitzen†œ... und weiter heißt es bei den Risikofaktoren an erster Stelle „als Risikofaktoren gelten Strahlenbelastungen ....†œ
„Strahlenbelastungen†œ? .... siehe oben! Von 1000 Frauen haben 999 Frauen keinen Nutzen vom Screening. Von 1000 Frauen wird eine Frau durch das Screening gerettet, aber 1000 Frauen werden beim flächendeckenden Screening einer Strahlenbelastung ausgesetzt.
Ist es wirklich eine laienhafte Ansicht, wenn man aufgrund der statistischer Zahlen vermutet kann, dass die höchste Erkrankungsrate in den Niederlanden etwas mit den flächendeckenden strahlenbelastenden Vorsorgeuntersuchungen in den Niederlanden zu tun haben könnte?
Ist man wirklich schlecht beraten, wenn man sich trotz der Krebsgefahr abwartend verhält und auch das gebührend gewichtet, was man bei der Krebsdebatte zwischen den Zeilen lesen kann? Ich setze, wie gesagt, weiter auf Abwarten.
Im übrigen erscheinen laufend Berichte über Fortschritte bei der Krebsbekämpfung. In der F.A.Z. kann man im medizinischen Teil regelmäßig über recht interessante Ansätze bei der Krebsbekämpfung lesen.
Am 19.02.2003 wurde unter dem F.A.Z. Titel „Künstliches Altern für Krebszellen†œ über programmiertes Absterben von Krebszellen von einem Forschungsprojekt beim Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried berichtet. Am 02.07.2003 wurde über Prostatakrebs unter dem F.A.Z. Titel: „Kein Versteck für Krebszellen †“ Neues Verfahren macht befallene Lymphknoten zuverlässig sichtbar†œ über ein neues Bildgebungsverfahren und deren Ergebnisse an der Harvard Medical School in Boston und dem Universitätsklinikum in Nijmwegen berichtet. Am 16.07.2003 wurde unter dem F.A.Z. Titel: „Krebsherde ohne Pipelines †“ Blockierung der Blutversorgung soll Tumore aushungern†œ von Fortschritten im Klinikum für Tumorbiologie in Freiburg berichtet.
Es tut sich also eine ganze Menge. Warum sich also vorschnell unters Messer begeben, wenn es vermutlich in einigen Jahren Erkenntnisse gibt, die heutige Ratschläge zwar als gutgemeint aber nicht als ausreichend gut begründet ausweisen werden?
Recherche Stand 5. August 2003 -