1. Krebsvorsorge
Bis Ende 1997: Übliche Digitale Rektale Untersuchung durch Hausarzt ohne PSA-Messung. Kein Befund über mehrere Jahre.
2. Krebsverdacht
Dezember 1997 leichte Probleme durch Harnstrahlabschwächung. Februar 98 Tastuntersuchung, Ultraschall, Blasenspiegelung. Urologe stellt Prostatitis und vergrößerten Mittellappen der Prostata fest. PSA-Wert gemessen im April 98: 29 ng/ml. Ich habe noch keinerlei Kenntnis über den Zusammenhang zwischen PSA-Wert und Krebs. Ich glaube dem Urologen nicht, dass es sich um Krebs handeln soll, halte seine andere Möglichkeit für wahrscheinlicher: Prostatitis. Mein Jahrzehnte langes Gesundheitsverständnis:
„Krebs haben andere, ich selbstverständlich nicht ich!
Ich warte weiter ab.
3. Krebsbestätigung
Ende Oktober 98: 8-fach Stanzbiopsie: Rechts 4 Prostatastanzen sämtlich durchsetzt mit Komplexen eines mäßiggradig bis geringgradig differenzierten uniformen Adeno-Carcinoms der Prostata. Links kein Tumornachweis. Anschließende Knochenscintigraphie und Computertomographie des Abdomens ohne Befund. Pathologischer Gewebebefund: pT1c später mindesens T2c, jedoch wahrscheinlich T3a (Meinung Helpap), Gleason Score 3+4=7, G2, Nx, Mo.
4. Entscheidungsfindung
Der behandelnde Urologe bietet mir drei Optionen an, von denen ich eine aussuchen soll:
1. Operation
2. Bestrahlung
3. beobachtendes Abwarten.
Diese Aufforderung, über eine Auswahl „wie bei einer Speisekarte im Restaurant†œ (so der Urologe) entscheiden zu müssen, hat mich als unbedarften und verunsicherten Patienten aufgeschreckt. Ich entschließe mich, ein gut informierter, kompetenter Patient zu werden. Ich beschäftige mich intensiv mit dem Charakter der Krankheit „Prostatakrebs†œ. Aus wissenschaftlichen Quellen erfahre ich: bisher konnte für keine der drei Therapien ein wissenschaftlicher Nachweis geführt werden, daß eine der anderen überlegen sei. Das amerikanische Internet erfahre ich als die aufschlussreichste Quelle für notwendige Informationen zum Prostatakrebs.
Meine Überzeugung wächst, daß mein Prostatakrebs bei meiner Ausgangssituation eine systemische Erkrankung ist und kaum noch lokalen Charakter haben kann. D.h. es sind sog. Mikrometastasen mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits vorhanden (nach Partin-Tabellen). Es gibt zur Zeit kein medizinisches Gerät, mit dem gestreute Mikro- oder Minimetastasen erkannt werden können.
Zweitmeinungen hatte ich von mehreren urologischen Kapazitäten eingeholt: alle urologischen Operateure empfahlen wegen meines noch "jugendlichen" Alters (damals 61 Jahre) die Prostatektomie. Die radiologisch spezialisierten Urologen empfahlen die Bestrahlung.
Ich bin grundsätzlich nicht mehr mit einer lokalen Therapie einverstanden, ich suche nach einer systemischen Therapie. Es folgen weitere Besuche in mehreren Kliniken, die Hormonbehandlung und/oder Thermotherapie oder andere unkonventionelle Therapien durchführen. Die für mich wichtigste Frage ist die nach Erfolgsstatistiken, sie konnte in keinem Fall befriedigend beantwortet werden. Ich bin mit den Therapievorschlägen wegen nicht mal annähernder wissenschaftlich sinnvoll aufbereiteter Erfolgsstatistik nicht einverstanden. Ich durchlebe qualvolle Wochen der Unsicherheit.
5. Entscheidung
Wieder im amerikanischen Internet finde ich Informationen über eine Therapie auf der Grundlage onkologischer Schulmedizin, die „Dreifache Androgenblockade mit Proscar-Erhaltungstherapie†œ (Triple Androgen Blockade - TAB und Proscar Erhaltungstherapie ®†œ) des kalifornischen internistischen Onkologen/Hämatologen, Dr. Leibowitz (
www.compassionateoncology.org).
Dessen Patientenstatistik bei begrenztem Prostatakrebs zeigt die Ergebnisse bei über 100 Patienten auf. Zugleich erfahre ich, daß die US-Gesundheitsbehörde (FDA) die Hormontherapie grundsätzlich auch für den Anfangskrebs zugelassen hat. Ich bitte Dr. Leibowitz um Aufnahme als Patient, er akzeptiert. Den mich jetzt betreuenden Urologen hier in Deutschland konnte ich überzeugen, mir die erforderlichen Medikamente zu verschreiben.
Nach 2 Monaten neoadjuvanter Hormonblockade erhielt ich ab Februar 99 die dreifache Androgenblockade, also jetzt vor mehr als 11 Jahren.
Mit Berichten und Videos werde ich über Behandlungsdetails und wissenschaftliche Zusammenhänge informiert. Wie vorhergesagt und zu erwarten fiel der PSA-Wert sofort und ist seit Mai 1999 während der gesamten Zeit der DHB nicht mehr messbar.
Am 09.02.2000 wurde die dreifache Androgenblockade abgesetzt, die Proscar-Erhaltungstherapie wird weitergeführt. 14 Monate lang insgesamt verblieb der PSA-Wert unter 0,1 ng/ml (innerhalb und außerhalb der DHB zusammengenommen). Der Testosteronwert steigt nach Absetzen der DHB wieder und seit Juli. 2000 auch wieder der PSA-Wert, was bei meiner Ausgangssituation ebenfalls zu erwarten war. Alle Nebenwirkungen der HB sind verschwunden.
Der PSA-Wert ist im November 2000 auf 2,8 ng/ml gestiegen. Im April 2001 lag er bei 2,7 ng/ml. Der PSA-Wert stieg im Mai 2001 plötzlich auf über 6 ng/ml bei einem Testosteronwert von 8,5 ng/ml. Daraufhin habe ich die Gewebeproben aus dem Jahre 1998 durch das pathologische Institut von Prof. Helpap nochmals überprüfen lassen. Ergebnis: die Erstdiagnose mit pT1c war gravierend falsch, der Krebs hatte die Prostatakapsel bereits durchbrochen, also T2b mindestens, wahrscheinlich T3a (Meinung Helpap). Ich bin wieder mal heilfroh, dass ich mich nicht habe operieren lassen, ich habe also keine unwiederbringliche Entscheidung getroffen.
Nur weil ich nicht das von Dr. Leibowitz vorhergesagte stabile Plateau in dem niedrigen Wertebereich erzielen konnte, erhielt ich also die Warnung, dass ich mit mehreren Komponenten im hohen Risikobereich liege und bin auf die Fehldiagnose vor fast 3 Jahren aufmerksam geworden.
Am 3. Juni 01 ist der PSA-Wert wieder auf 4,9 gefallen, später wieder auf 7,3 gestiegen, dann wieder gefallen. Dr. Leibowitz empfahl mir seinen antiangiogenen Cocktail, bestehend aus Cox-2 Inhibitor (200 mg Celebrex täglich), Thalidomid, 50 mg alle zwei Tage, Zometa (i.v. Infusion), zunächst monatlich, später alle 3 Monate, zusammen mit Dexametasone, 16 mg Infusion, Vit. D1 und D3, Calcium und natürlich Selen und ASS100. Seit einiger Zeit kommt noch Atorvastatin (60 mg täglich) hinzu.
Sport und Bewegung jeden Tag. Alle drei Monate Kontrolle der Leberwerte, Schilddrüsenfunktion und Nierenfunktion. Seit Okt. 2001 bis August 2005, bewegte sich der PSA-Wert um 6 †“ 7 ng/ml und schien ein stabiles Plateau erreicht zu haben.
6. Bildgebende Verfahren und Dosierungen der Medikamente
Im August 2001 und im September 2004 hatte ich ein MRT in Aachen machen lassen. Gleiches Institut, gleiches Gerät. Prostatakrebs erkennbar, jedoch keine Veränderung.
Im September 2005 ein end. MRT mit Spektroskopie und dynamischem Testen bei Prof. Barentsz in Holland (1,5 Tesla-Gerät). Die Bilder zeigten den Tumor rechts und einen leichten Befall im linken Lappen. Geringe Ausdehnung. Daraufhin empfahl Dr. Bob die Thalidomid-Dosis zu erhöhen, 2 Tage hintereinander dieses Medikament einzunehmen und danach jeweils einen Tag aussetzen (keine Gesamterhöhung).
Die PSA-Schwankungen steigen bis zu 15,1 ng/ml (mit Proscar also 30,2). Daraufhin empfiehlt Dr. Bob Leukine, dass ich nunmehr seit September 2005 einnehme mit leicht fallender Tendenz des PSA-Wertes. Ich überprüfe die Erkrankung im Frühjahr 2008 wieder durch die gleiche bildgebende Untersuchung in Holland wie im Sept. 2005. Dies mal kann links kein Befall und rechts keinerlei Veränderung festgestellt werden. Nun empfiehlt Dr. Bob noch zusätzlich Alpha Interferon (ein kleines Tröpfchen jeden Abend i.m. als Spritze) für kurze Zeit. Der PSA-Wert beginnt zu sinken.
In 2008 machen sich erste ganz leichte polyneuropathische Nebenwirkungen des Thalidomid bemerkbar. Seit Mitte Februar nehme ich zu dem Thalidomid (3 Tage pro Woche) noch 5 mg Revlimid (4 Tage in der Woche) mit dem Ergebnis, dass umgehend die neuropathologischen Nebenwirkungen sich zurückbilden.
Der PSA fällt weiter und betrug am 20.04.2009 den ohne HB niedrigsten Wert überhaupt: 1,34 ng/ml.
Im Dezember 2009 wieder bildgebendes Verfahren wie vor 5 und vor 2 Jahren: endorektales MRT mit Spektroskopie und dynamischen Testen, doch diesmal mit Tesla 3 - Gerät. Ergebnis: Prostatakrebs im linken Lappen, kapselüberschreitend, jedoch keinerlei Veränderung in Größe und Ausdehnung gegenüber dem Bild vor 5 Jahren und dem vor 2 Jahren.
Mein Krebs ist also immer noch schlafend.